Zugang zum Selbst und zur Herzspur
„Segne den Augenblick, vertrau auf dich selbst und erwarte das Beste!“
(hawaianische Weisheit) Diesen Satz fand ich Ende letzten Jahres auf einem Liedblatt. Die Worte
berührten mich sehr, wie für mich geschrieben. Es war für mich eine Einladung,
anzunehmen, was jetzt gerade ist, mich mit meinem Selbst zu verbinden und
so in das Bewusstsein einzutreten, dass mein Sein mehr umfasst als mein
begrenztes Ich. Und dass ich im Vertrauen darauf das Beste erwarten kann.
Dann machte ich einen Fehltritt. Am nächsten Tag war klar: Bein gebrochen,
unfreiwillige Ruhepause.
Ganz schnell merkte ich, wie gut mir eine Pause tat. Raus aus meinem Alltag,
raus aus gewohnten Denkmustern. Stattdessen zur Ruhe finden und spüren.
Ich war selbst überrascht, wie wenig Lust ich hatte zu lesen. Fühlte den starken
Wunsch, mich nach innen zu wenden. Trotz Schmerzen und Genervtsein über
meine Langsamkeit und Schwierigkeiten, mich fortzubewegen, kam eine Art
„grundloses Glücksgefühl“ über mich. Ich musste Termine absagen,
verschieben, Entscheidungen treffen, die mir schwer fielen, fühlte mich in
vielem jäh abgebremst, trotzdem breitete sich in mir ein tiefer innerer Friede
aus.
Diese innere Qualität überwältigte mich so sehr, dass ich über dieses „Spürbewusstsein“
einen ganz einfachen Zugang zu meinem Selbst fand. Das
genoss ich sehr und genieße es immer noch, es bewahrt mich davor, zu
ungeduldig zu werden oder zu viel zu grübeln.
Zum Jahresende blicke ich gern zurück auf das alte Jahr, um dann die Energie
des Kommenden wahrzunehmen und mich darauf einzustellen.
Viele Menschen fassen zum Jahreswechsel Vorsätze. Dieses Jahr fand ich es
passender, mich zu fragen, wohin mein Herz mich führt, welche Herzenswünsche
mich bewegen.
Was ist der Unterschied zwischen neue Vorsätze fassen und einem
Herzenswunsch nachspüren?
So ein Herzenswunsch ist schon da, er will jetzt Gestalt gewinnen. Und wenn
ich mir Zeit und Raum gebe, dann kann ich aus dem Herzen, aus meinem
Unbewussten Hinweise bekommen, wie ich den Herzenswunsch Schritt für
Schritt verwirklichen kann. Aber das erfordert, erst mal aufzuhören zu
denken, mich zu öffnen für das Spürbewusstsein. Das kommt uns vielleicht
schwer vor, weil wir es nicht gewohnt sind. Weil wir meinen, es ist unsere
Aufgabe, mit rationaler Intelligenz und viel Aktivität an der Verwirklichung von
unseren Wünschen zu arbeiten. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts
einzuwenden. Nur: Wenn wir uns allein auf unseren Verstand verlassen
blenden wir einen Großteil unseres Potenzials (etwa 85 %!) aus. Und: Viele
Lösungen finden wir dann, wenn wir aufhören (!) angestrengt nachzudenken
und loslassen. Auch berühmte Forscher berichteten, dass sie besondere
Inspirationen ganz unerwartet als spontane Idee bekamen.
Vielleicht erinnern Sie sich an meinen Newsletter „SelbstLiebe“, wo ich über die
beiden untrennbaren Seinsweisen des Menschen geschrieben habe, das Ich
und das Selbst. Wie zwei Seiten einer Münze – sie gehören zusammen und
sind beide gleich wertvoll. Nur leider vernachlässigen wir in unserer Kultur
häufig den Kontakt zum Selbst. Zur Verdeutlichung s. die Tabelle mit den
Charakteristika des Ich- und Selbst-Modus.
Ich | Selbst |
Denken, rationale Intelligenz | Spürbewusstsein |
Alltagsbewusstsein | Unbewusstes |
unterscheiden, abgrenzen | aus der Verbindung mit allem Sein leben |
beurteilen, entscheiden | Gegensätze annehmen, Spannung aushalten und nutzen (enthält viel Energie!) |
Begrenzung, Enge | Einssein, Weite |
Mangel | Fülle |
innerer Druck, etwas tun müssen | Vertrauen, Impulse spüren, danach handeln mit Leichtigkeit |
Lernen aus der Vergangenheit, planen für die Zukunft |
im Jetzt leben |
Vorsatz (vorwiegend auf gedanklicher Ebene) | Herzenswunsch (“aktualisiertes Selbst”, s.a. Essen, 2011) |
Vorsorge bis hin zu Grübeleien, Fantasien, was alles passieren könnte |
Vertrauen, “alles-ist-gut-Gefühl” |
Diese Liste lässt sich endlos weiterführen. Vielleicht können Sie sich in die
unterschiedliche Energie der beiden untrennbaren Bewusstseinszustände gut
einfühlen und eigene Unterscheidungsmerkmale finden.
Hier wird deutlich: In einer Notfallsituation, etwa wenn wir zu einem
Verkehrsunfall hinzukommen, bei dem Menschen verletzt wurden, dann sind wir
gefordert, Entscheidungen zu treffen und vorausschauend zu handeln. Hier
geht es darum, aus dem Ich-Bewusstsein zu handeln.
Unser Bewusstsein im Selbst-Modus ist gefragt in Situationen, in denen wir zum
x-ten Mal mit einem Lebensthema konfrontiert sind, etwa wenn unser
herzallerliebstes Gegenüber genau auf diese provozierende Weise wie so oft
die Augenbraue hochzieht und wir sofort von Null auf Hundertachtzig kommen –
wir also vor der gleichen ungelösten Situation stehen wie schon hunderte Male
vorher, wenn wir feststecken. Dann werden wir die Lösung sicher nicht im
Außen finden. Dann geht es darum, Verständnis zu entwickeln für die eigene
Verletzlichkeit, Selbst-Fürsorge zu aktivieren. Um zu erleben, wie leicht sich die
Konflikte mit dem Gegenüber oft wie durch Zauberhand lösen, wenn es uns
gelingt, zurückzufinden zur inneren Balance und wieder Kontakt zu bekommen
mit unserem Selbst.
Meine Situation, durch den Beinbruch plötzlich lahmgelegt zu sein, wurde für
mich zum Abenteuer und zur Chance, mich mehr auf das Selbst einzulassenund tief einzutauchen in das Spürbewusstsein, alles Planen und analytisch
Planungen erst mal hinten anzustellen. Was für ein Geschenk! Und so bekam
der Satz „Segne den Augenblick, vertrau auf dich selbst und erwarte das
Beste!“ noch mal eine neue Bedeutung. Half mir, das Unvermeidliche
anzunehmen. So konnte ich auch Schmerzen besser ertragen, weil ich mich
nicht mehr gegen meine Situation sträuben musste.
Meine Zeit im Selbst-Modus wurde immer mehr zum inneren Abenteuer, zur
inneren Quelle von Kraft und Freude, ich spüre, wie in mir ein tiefes Vertrauen
wächst, auf meine innere Stimme zu hören und ihr zu folgen.
Ich spürte so deutlich (wie es Safi Nidiaye formuliert): „Wenn einem das Herz
aufgeht, wird alles einfach und klar… Ein Problem, das eben noch unlösbar
erschien, ist auf einmal keines mehr.“
Dadurch, dass ich viel Zeit hatte, konnte ich mein Selbst und seine Sprache
besser kennenlernen, Vertrauen aufbauen, ach es ist einfach ein Genuss, im
Kontakt mit dem Selbst zu sein. Ich erinnerte mich an einen Ausspruch von
Oscar Wilde:
„Selbstliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze.“
Nun geht es natürlich darum, diese Erfahrungen in den Alltag zu integrieren.
Dafür ist es wichtig, eine Art BeobachterIn-Bewusstsein zu entwickeln, das uns
hilft, zu merken, wann wir aus dem Gleichgewicht geraten – meist dann, wenn
wir im Ich-Bewusstsein unter Druck geraten, Ängste spüren und nicht mehr
weiter wissen. Dann hilft mehr desselben Verhaltens meist nicht weiter, im
Gegenteil.
Aus der Position des BeobachterIn-Bewusstseins können wir erst einmalAbstand bekommen. Um erst einmal tief durchzuatmen. Um unser Selbst-
Bewusstsein zu aktivieren. Uns so zu verbinden mit der Fülle, mit all den
Möglichkeiten, die schon längst in unserem Unbewussten schlummern.
Um aufzuhören, uns selbst zu verurteilen, uns vorzustellen, was alles passieren
könnte. Um stattdessen Mitgefühl für uns selbst zu entwickeln und zu schauen,
was brauche ich jetzt, um wieder zur Ruhe zurückzufinden.
Es gibt viele Zugangswege zum Selbst, es lohnt sich, die herauszufinden, die
für uns besonders hilfreich sind.
Für viele ist der Atem wie eine goldene Brücke zum Selbst. Ruhig zu werden,
wieder den eigenen Körper spüren, zu merken, dass die Erde mich trägt…
Andere finden in der Musik einen guten Zugang zum Selbst. Indem sie
bestimmte Musikstücke hören oder selbst bestimmte Lieder singen und/oder
spielen.
Manche finden im Gebet oder durch vertraute Meditationstechniken wieder die
innere Balance, die es ermöglich, innere Impulse und die eigene Intuition zu spüren.
Warum fällt es uns manchmal so schwer, vom Ich-Modus in den Selbst-Modus
zu wechseln?
- Wir haben wenig Erfahrung mit dem Selbst-Modus, der Ich-Modus ist
uns vertrauter, erscheint uns sicherer. - Unser Zeitplan ist prall gefüllt, es fehlen Zeit und Raum, Ruhe zu finden
und sich auf das Selbst einzulassen. - Wir kennen die Sprache des Selbst-Modus zu wenig, trauen uns nicht,
ihren Intuitionen zu folgen. Und manchmal wird deutlich, dass sie uns
auffordert, Bekanntes zu verlassen, kreativ neue Wege zu finden, und
das erscheint uns zu risikoreich.
Dabei ist zu bedenken: Wenn neue Entscheidungen anstehen, kann das
Festhalten am Alten uns genauso „unseren Weg“ verbauen wie eine zu
waghalsige Veränderung.
Es geht also erstens darum, die Qualitäten den Selbst-Modus kennen und
schätzen zu lernen. Und zweitens ist es hilfreich, in schwierigen Situationen
(wenn wir heftige Emotionen, Mangel oder Enge spüren oder uns unter Druck
fühlen) das BeobachterIn-Bewusstsein einzuschalten, um etwas Abstand zu
finden. Um dann drittens mit schon erprobten Methoden (die sich sicher immer
weiter verfeinern lassen) in den Selbst-Modus zu wechseln, um aufzutanken
und uns mit unserer inneren Fülle zu verbinden.
Das braucht ein bisschen Übung und auch ein bisschen Mut…
Und gemeinsam geht es leichter…
Und dafür gibt es den Herzspurtreff…
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NL 2012_01_15 Fehltritt_Chance_Zugang_zum_Selbst_zur_Herzspur Download zu diesem Artikel
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